Das hier vorgestellte Objektiv ist ein wahrer Klassiker aus dem Hause Tamron : das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD gehörte damals zur Super-Performance Serie (SP) des japanischen Herstellers, wurde zwischen 1985 und 1992 angeboten und ergänzte während dieser Periode das wesentlich beliebtere und lichtschwächere Tamron SP 70-210 mm f/3,5. Das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD mit Codenamen 30A gehörte zur kleinen, aber feinen Familie von Objektiven mit Spezialgläsern (LD für Low Dispersion), die aber ansonsten nur festbrennweitige Objektive umfasste.
Bei seiner Markteinführung gab es nur wenige Telezooms mit konstanter f/2,8 Lichtstärke. Obwohl Nikon schon Ende 1978 ein Nikkor 80-200 mm f/2,8 ED in Zweiringbauweise präsentierte, wurde ein Objektiv mit gleichen Eckdaten, aber veränderter Bauweise (Schiebezoom, 15 Linsen in 11 statt 12 Linsen in 9 Gruppen) erst ganze vier Jahre später auf den Markt gebracht. Canon-und Minolta-Fotografen mussten noch länger warten, denn lichtstarke Reportage-Telezoomobjektive vom Originalhersteller wurden erst Mitte der 1980er Jahre nach Systemumstellung auf Canon EF und Minolta AF erhältlich. Abgesehen von den “grossen Vier” (Canon, Nikon, Minolta und Pentax) gab es nur noch einen Kamerahersteller, der ein solches Objektiv anbot : das Leica Vario-Apo-Elmarit-R 70-180 mm f/2,8 wurde aber erst viele Jahre später eingeführt und spiegelte mit seinen fünf Glaselementen mit anomaler Teildispersion das seinerzeit technisch Machbare wider. Es gab also Anfang der Achtziger Jahre eine Marktlücke, die nur darauf wartete, von Fremdherstellern ausgefüllt zu werden und sowohl Tokina als auch Tamron waren dazu bereit.
Das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD besitzt 16 in 12 Gruppen aufgegliederte Linsen. Im Gegensatz zu den anderen Objektiven der SP-LD-Familie (SP 180 mm f/2,5 LD, SP 300 mm f/2,8 LD (IF) und SP 400 mm f/4 LD (IF)) gibt es aber nur eine Linse aus niedrig dispergierendem Spezialglas, wobei sich der Hersteller in den Datenblättern zu den Qualitäten (Abbezahl) des verwendeten Glases ausschweigt. Das LD-Element grossen Durchmessers befindet sich im vorderen Doublet, gut geschützt hinter einer Linse aus “normalem” Glas. Das Objektiv besitzt auch acht Linsen aus hochbrechendem Glas. Neben einer sehr guten Korrektur des sekundären Spektrums hebt der Hersteller die besonders ausgeglichene Farbwiedergabe der SP-LD-Objektive hervor. Diese sollen sich oberhalb von 370 nm durch eine gleichmässige spektrale Durchlässigkeit auszeichnen, die sowohl durch die Auswahl der Glassorten als auch die Anpassung der Mehrschichtvergütung BBAR erreicht wurde.
Mechanisch ist das Objektiv über alle Zweifel erhaben. Vom Filterring bis zum Blendenring ganz aus Metall gefertigt, bietet das Objektiv einen kombinierten Einstellring für Schärfe und Brennweite, dessen Bedienung weich und spielfrei ist. Allerdings ist bei meinem Exemplar ein Durchrutschen des Einstellrings in senkrechter Position an der Tagesordnung (“zoom creep”). Der Blendenring rastet halbstufig zwischen f/2,8 und f/11 und ganzstufig zwischen f/11 und f/32 ein. Die kleinste Blendeneinstellung dient auch zur Arretierung des Rings bei Blendenautomatikbetrieb. Die Blende hat 9 Lamellen und bietet auch bei kleineren Blenden eine gleichmässige, wenn auch nicht mehr runde Öffnung. Aufgrund des grossen Durchmessers der Frontlinse akzeptiert der Filterring aus Metall Filter mit 77 mm Durchmesser. Ein Bajonettanschluss nimmt hingegen eine aus solidem Metall gefertigte Streulichtblende (82FH) auf. Diese kann zum Transport auch umgekehrt adaptiert werden.
Alle Markierungen des Objektivs sind eingraviert und mit verschiedenen Farben für den Schärfentiefenfächer unterlegt, was hilft, die ansonsten fast spartanische Erscheinung des Objektivs etwas aufzulockern. Es gibt Markierungen für die Brennweiten 80, 100, 135 und 200 mm, wobei es auf dem Tubus jenseits der 200 mm-Marke noch ein wenig Platz gibt, um einen Stativadapter zu montieren. Anders als die Streulichtblende gehörte dieser aber leider nicht zur Grundausstattung des Objektivs und ist heute dementsprechend sowohl selten als auch teuer. Ein Stativadapter für Canon EF-Objektive (EF 80-200 mm f/2,8 L, EF 70-210 mm f/4 L, EF 200 mm f/2, 8 L), sowohl vom Original – als auch von verschiedenen Fremdanbietern erhältlich, wird glücklicherweise zum perfekten Ersatz.
Zur SP Adaptall-Serie gab es damals zwei Telekonverter, die beide zum Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD passen. Während der SP 1,4 X-Telekonverter (140F) sowohl selten als auch teuer ist, kann der SP 2 X -Telekonverter (01F) für einen moderaten Geldbetrag gefunden werden. Ich ziehe ihnen aber, je nach verwendetem Adaptall-2-Adapterring, Telekonverter von Canon, Olympus oder Nikon vor, denn die Handhabung der Tamron Adaptall Konverter kann im « Eifer des Gefechts » ganz schön fummelig werden.
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Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD
• Optischer Aufbau : 16 Linsen in 12 Gruppen (1 Linse aus LD-Glas)
• Vergütung: mehrfach (BBAR)
• Blendenskala : f/2,8 bis f/32 (halbe Stufen zwischen f/2,8 und f/11, ganze Stufen zwischen f/11 und f/32)
• Anzahl der Blendenlamellen : 9
• Filterdurchmesser : 77 mm
• Kürzeste Entfernungseinstellung : 1, 5 m
• Länge und Durchmesser: 173,5 mm (Nikon Ai-Anschluss), 80 mm
• Gewicht : 1,2 kg
• Streulichtblende : 82FH
Wie üblich zeige ich Euch an dieser Stelle eine Testserie, die mit der Sony A7R nebst Stativ und 2 s Selbstauslöservorlauf bei 100 ISO fotografiert wurde. Ich habe jeweils mit maximaler Lupenvergrösserung und offener Blende auf die Bildmitte scharf gestellt. Es handelt sich hier wieder um fast ungeschärfte Ausschnitte in 200% – Vergrösserung, die Korrektur der chromatischen Aberrationen wurde in Adobe Camera Raw deaktiviert. Das Rendering ist bewusst im Kontrast reduziert – in Camera Raw verwende ich üblicherweise eine lineare Tonkurve für optimale Lichterzeichnung.
80 mm
100 mm
135 mm
200 mm
f/4 fehlt (war leider leicht verwackelt…)
Wie bei mir üblich, wurden die Bilder mit Standardeinstellung in Camera Raw geschärft. Dabei habe ich die Übersichtsbilder bearbeitet, um die Randabschattung bei Offenblende deutlicher zu machen.
Nahe Unendlich finde ich das Auflösungsvermögen über das gesamte Bildfeld schon bei Offenblende absolut brauchbar, auch wenn die Spitzlichter und Konturen einige Farbfehler zu Tage bringen. Es reicht aber, die Bilder zu schärfen und den Kontrast anzuheben, um brauchbare Ergebnisse zu bekommen. Die beste Schärfe wird zwar bei f/8 erreicht, aber zwischen f/5,6 und f/16 (hier nicht gezeigt) ist sie quasi konstant. Die Blenden jenseits als f/16 führen zu einem progressiven Schärfeverlust und sollten nur verwendet werden, wenn maximale Schärfentiefe auf Kosten der Gesamtschärfe verlangt wird. Insgesamt würde ich Auflösungsvermögen und Kontrast des Objektivs imit denen meines Canon FD 80-200 mm f/4 L auf eine Stufe stellen, wobei der Vergleich natürlich nur bei identischen Blendenwerten Sinn macht.
Die Vignettierung ist zwar bei Offenblende deutlich, wird aber um zwei Stufen abgeblendet bei allen Brennweiten unsichtbar. Das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD ist bei allen Einstellungen praktisch verzeichnungsfrei (ich konnte keine Durchbiegung gerader Linien feststellen…) und deshalb auch ideal für Architekturaufnahmen und Städtebilder.
Das sekundäre Spektrum ist durch die LD- Linse im Frontglied gut korrigiert, ohne aber apochromatisches Niveau zu erreichen. Laterale chromatische Aberrationen sind sichtbar, können aber mittels der automatischen Werkzeuge von Camera Raw oder Lightroom spurlos beseitigt werden. Longitudinale chromatische Aberrationen (Bokeh Fringing) treten nur selten in Erscheinung.
Ein lichtstarkes Telezoom ist natürlich dazu prädestiniert, bei grösseren Blenden eine angenehme Anmutung der nicht in der Schärfeebene liegenden Bildteile zu liefern. Das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD zeigt dabei das Bokeh eines wohl erzogenen, oder genauer gesagt gut auskorrigierten, Objektivs, auch wenn es in manchen, seltenen Situationen durch die Fassungsvignettierung auch zu einem leichten “Swirl-Effekt” und Katzenaugen in den Randbereichen kommen kann. Insgesamt finde ich die Anmutung sehr harmonisch und sie lenkt auch nur ganz selten vom Motiv ab.
Mit einer Mindesteinstellentfernung von nur 1,5 m eignet sich das Objektiv natürlich nur bedingt als Werkzeug für den Nahbereich. Da wäre man mit einem der anderen Telezooms der Tamron SP – Serie, SP 70-210 mm f/3,5-4 (52A) und SP 70-210 mm f/3,5 (19AH) wohl besser bedient.
Gemäss seiner Bestimmung als Reportage- Zoom wurde das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD auf grosse und mittlere Entfernungen optimiert und je näher man dem Motiv kommt, desto ausgeprägter wird die sphärische Aberration und damit auch eine gewisse Weichheit der Konturen bei Offenblende. Um ein oder zwei Stufen abgeblendet sind die Leistungen dann wieder in Ordnung und können auch höhere Ansprüche an die Schärfe befriedigen.
Für Aufnahmen von umtriebigen und/oder scheuen Insekten verwende ich lieber Telezooms mit achromatischen Nahlinsen als festbrennweitige Makroobjektive, zumal ich dann mittels der Brennweitenveränderung blitzschnell den Bildausschnitt ans Motiv anpassen kann. So konnte ich auch kürzlich das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD mit der Nahlinse Canon 500D testen. Um mindestens 2 Blenden abgeblendet liefert die Kombination meiner Meinung nach herausragende Ergebnisse, solange man sich auf dreidimensionale Motive konzentriert und das Motiv nicht in irgendeine Bildecke klemmt.
Meiner Erfahrung nach bekleckerten sich die Fremdhersteller damals nicht gerade mit Ruhm, wenn es um eine effektive Unterdrückung von Streulicht ging. Vergütungen wie RMC (Rainbow Multi-Coating),BBAR (Broad-Band-Anti-Reflection) oder VMC (Vivitar Multi-Coating) waren demnach den entsprechenden Lösungen der Kamerahersteller eindeutig unterlegen.
Mit seinen 16 Linsen müsste das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD besonders streulichtempfindlich sein und bei Gegenlicht ausgeprägte “optische Parasiten” produzieren. Glücklicherweise hat der Hersteller einen grösseren Aufwand getrieben als bei meinen anderen Tamron-Objektiven, sowohl was die aktive (Mehrschichtvergütung der Glas-Luft-Flächen) als auch passive Verhinderung (Lichtfallen und Schwärzung der inneren Fassungsteile) des Streulichts angeht. Sollte sich die Lichtquelle im Bild befinden, produziert das Objektiv einen nicht immer sichtbaren und klar begrenzten grünen “Blob”, den man leicht wegretuschieren kann. Befindet sich die Lichtquelle knapp ausserhalb des Bildfelds, kommt es zu einem deutlichen Kontrastverlust, der durch die unzureichende Länge der Gegenlichtblende verstärkt wird. Eine Kamera mit Bildstabilisierung ist dann praktisch, denn man kann die linke Hand dazu verwenden, für zusätzlichen Schatten zu sorgen.
Ich hatte mal ein Exemplar dieses Objektivs, benutzte es sowohl für Mode-und Porträt-Aufnahmen als auch Städtereportagen und war immer vollkommen zufrieden damit. Leider entsorgte ich das schlussendlich fungusbefallene und dejustierte Exemplar fünfzehn Jahre später vor einem Umzug zwischen Paris und dem Elsass und weinte ihm seither einige Tränen nach.
In den lokalen Kleinanzeigen entdeckte ich kürzlich ein Canon A-1-Gehäuse mit einem mysteriösen “80-135 mm “- Zoom , das sich nach einem schnellen Examen des ziemlich unscharfen Fotos in der Annonce als gut erhaltenes und voll funktionsfähiges Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD entpuppte.
Auch wenn das Tamron SP 80-200 mm f/2,8 LD bei Offenblende sicherlich nicht mit den neuesten Realisationen eines lichtstarken Telezooms mithalten kann, bringt es in der Praxis eine Bildqualität, die ohne Weiteres mit der meiner bisherigen “Champions” Canon FD 80-200 mm f/4 L und Canon 70-200 mm f/4 L USM gleichzieht und zusätzlich eine Lichtreserve von einer Blende sowie einen kleinen Bonus in Sachen Motivfreistellung bietet. Dabei ist das Objektiv gross und schwer und erfordert eine gewisse Motivation, es mitzuführen und einzusetzen, obwohl das stolze Gewicht von 1200 g durchaus dabei helfen kann, verwacklungsfreie Aufnahmen zu bekommen. Schärfe, Bokeh und Farbwiedergabe sind immer noch (zumindest für mich…) absolut zufriedenstellend, das Handling angenehm präzise, obwohl ich die Mindesteinstellentfernung von 1,5 m doch als ziemlich grosse Einschränkung empfinde.