Unter den Kameraherstellern war Minolta einer der Pioniere in Sachen Zoomobjektive. Während der 60er Jahre bot das Unternehmen bereits nicht weniger als vier verschiedene Modelle an : Auto Zoom Rokkor 50-100 mm f/3,5, Auto Zoom Rokkor 80-160 mm f/3,5, Zoom Rokkor 100-200 mm f/5,6 und Auto Zoom Rokkor 160-500 mm f/8.
Anfang der 70er hatte Minolta aber nur noch das optisch kompensierte und relativ kompakte Zoom Rokkor 100-200 mm f/5,6 im Programm. Das MC Zoom Rokkor 80-200 mm f/4,5 erschien im Jahre 1973 und wurde fünf Jahre später vom MD Zoom Rokkor 75-200 mm f/4,5 ersetzt, das wiederum fünf Jahre später dem etwas lichtstärkeren und weithin bekannten MD Zoom Rokkor 70-210 mm f/4 weichen musste. Übrigens gibt es zwei verschiedene Versionen des 80-200 mm f/4,5, die sich nur durch die Kupplungsmöglichkeiten unterscheiden : MC (1973) und MD (1977). Allen gemeinsam sind die Einringbedienung (Entfernungs-und Brennweiteneinstellung erfolgen durch Drehen und Verschieben des gleichen Einstellrings) und das grundsätzliche Konstruktionsprinzip in drei optischen Hauptgruppen. In Sachen Lichtstärke (f/4,5) und Mindesteinstellentfernung (1,8 m) gleicht dabei das MC Zoom Rokkor dem “Referenzobjektiv” Zoom Nikkor 80-200 mm f/4,5.
Unter den drei Objektiven ist das MC Rokkor 80-200 mm f/4, 5 wohl eindeutig am seltesten anzutreffen, denn es erschien zu einem Zeitpunkt, als Varioobjektive noch gemeinhin als den Festbrennweiten unterlegen galten und zu stolzen Preisen angeboten wurden. Die Konstruktion ist vorbildlich : ganz aus Metall gefertigt hat das Objektiv weiche und gleichmässig laufende Einstellringe, im Gegensatz zum weiter oben erwähnten Zoom Nikkor gibt es auch kein unkontrolliertes Gleiten der Brennweite (zoom creep). Alle Angaben sind graviert und mit Farbe gefüllt, auf einen Schärfentiefenfächer wurde aber leider verzichtet. Die separate Metallstreulichtblende ist auf 80 mm abgestimmt und dadurch für längere Brennweiten etwas zu kurz geraten. Das Objektiv besitzt einen für MC Rokkore übliches Standardfiltergewinde von 55 mm.
MC Rokkor 80-200 mm f/4, 5
• Optischer Aufbau : 14 Linsen in 10 Gruppen
• Vergütung: mehrfach (Achromatic Coating)
• Blendenskala : f/4,5 bis f/32 (halbe Stufen)
• Anzahl der Blendenlamellen : 6
• Filterdurchmesser : 55 mm
• Kürzeste Entfernungseinstellung : 180 cm
• Masse und Gewicht : 74,4 x 156 mm, 700 g
Der Minolta-Experte Josef Scheibel (Das Minolta Buch, Heering Verlag) verfasste im Jahre 1972 die folgende Einschätzung zu Vario-Objektiven : “Andererseits sind selbst die besten Zoom-Objektive in Lichtstärke und Abbildungsleistung den festbrennweitigen Hochleistungsobjektiven nicht ganz ebenbürtig”. Was damals weithin bekannt war, hat auch heute seine Gültigkeit nicht verloren, auch wenn moderne Zoomobjektive mittlerweile auch sehr hohen Ansprüchen an die Bildqualität gerecht werden können.
Ein Klassiker wie das Minolta/Leitz 80-200 mm f/4,5 sollte daher immer auch im Zusammenhang mit anderen, zeitgleich erschienen Objektiven beurteilt werden, anstatt mit modernen Masstäben zu messen. Die tollen Fotos von Nikolaus motivierten mich, das Objektiv mal selbst auszuprobieren, ich mache hier den Anfang mit “langweiligen” Testfotos, die aber auch ganz klar die optischen Grenzen des Objektivs aufzeigen.
Wie üblich zeige ich Euch hier eine “Hardcore”- Testserie, die mit der Sony A7R nebst Stativ und 2 s Selbstauslöservorlauf bei 100 ISO fotografiert wurde. Ich habe jeweils mit maximaler Lupenvergrösserung und offener Blende auf die Bildmitte scharfgestellt. Es handelt sich hier wieder um fast ungeschärfte Ausschnitte in 200% – Vergrösserung, die Korrektur der chromatischen Aberrationen wurde in Adobe Camera Raw desaktiviert. Die Lichtbedingungen (dichte Bewölkung) waren denkbar schlecht, sie machen aber eine “ungeschönte” Beurteilung der Abbildungsleistungen möglich.
80 mm
100 mm
135 mm
200 mm
Das MC Zoom Rokkor ist bei allen Brennweiten relativ kontrastarm, was sich aber in der Bildverarbeitung sehr leicht ausgleichen lässt. Das Auflösungvermögen ist bei den zwei kürzesten Brennweiten 80 und 100 im gesamten Bildfeld schon bei Offfenblende gut, der Schärfeneindruck verbessert sich dann kontinuierlich durch einen Konstrastzuwachs bei kleineren Blenden. Ab 135 mm weichen die Konturen dann auf, die Detailwiedergabe wird schlechter und die chromatischen Aberrationen brechen dann vor allem am Bildrand durch, auch wenn sie auch in der Bildmitte deutlich werden (siehe Ziffernblatt der Kirchturmuhr). Bei der längsten Brennweite ist die Schärfe nur in der erweiteren Bildmitte zufriedenstellend. Eine Abblendung auf f/11 ermöglicht eine zufriedenstellende Abbildung in der Bildmitte und am Bildrand, die Ecken bleiben aber immer etwas unscharf. Übrigens verschwinden die Farbränder auch bei Abblendung auf f/11 nicht. Die automatische Korrektur in Camera Raw/Lightroom beseitigt die lateralen chromatischen Aberrationen, die longitudinalen Aberrationen (Bokeh Fringing) bleiben aber sichtbar und störend. Insgesamt ist die Bildqualität zufriedenstellend, ohne aber das Niveau der Nachfolgemodelle 75-200 und 70-210 mm zu erreichen, die bei den längeren Brennweiten wesentlich bessere Leistungen abliefern. Alles in allem ist die Leistung des MC Zoom Rokkor nicht auf Festbrennweitenniveau (da muss ich Herr Scheibel beipflichten..), mein « Telebleistift » MC Rokkor 200 mm f/4,5, zum Beispiel, ist schon bei Offenblende « gestochen scharf ».
Das MC Rokkor 80-200 mm f/4, 5 wurde sichtlich für unendliche Entfernungen optimiert, die Bildschärfe fällt bei kürzeren Entfernungen vor allem am Bildrand und/oder bei den längeren Brennweiten deutlich ab. Für höhere Ansprüche an die Bildschärfe ist die Mindestentfernung von 1,8 m meiner Meinung nach nur für mittig arrangierte Motive zu nutzen. Bei allen Blende zeigen sich in den Bildecken laterale Farbfehler, bei dreidimensionalen Motiven (also nicht hier) sind longitudinale Farbfehler (Bokeh Fringing) sehr deutlich und nachträglich nur schwer aus den Bildern herauszurechnen.
80 mm
200 mm
Meist sind es ja die optisch nicht so gut auskorrigierten Objektive, die bei der Anmutung der jenseits der Schärfeebene liegenden Bildzonen (bokeh) punkten können. So auch das MC Rokkor 80-200 mm f/4, 5, mit dem man innerhalb den von der Naheinstellung, der sechseckigen Form der Blendenlamellen und der Lichtstärke vorgebenen Grenzen sehr harmonische Bilder erzeugen kann.
Nachfolgend eine Reihe von Beispielbildern, die das Potential dieses Objektivs für die Landschaftsfotografie (abgeblendet auf f/11) verdeutlichen.
Lohnt es sich, nach dem Leitz Leitz Wetzlar Vario-Elmar 80-200mm f4, 5 oder Minolta MC Rokkor 80-200 mm f/4, 5 zu fahnden ? Für mich war es reine Neugier, die mich zum Kauf dieses Oldtimers bewegte, zumal er mich auch nur den kleinsten zweistelligen Betrag gekostet hat (voller Fungus musste ich das Objektiv allerdings erst auseinandernehmen, um es startklar zu machen…).
Auch wenn manche Fotografen im übertragenen Sinne auch noch aus Brackwasser leckeren Wein zu produzieren imstande sind, bleibe ich als Normalsterblicher doch etwas skeptisch. Mir fehlt es beim MC 80-200 mm trotz Minolta-typischer Verarbeitungsqualität und Farbwiedergabe einfach ein bisschen an Charakter, um die Mängel bei der Abbildungsqualität zwischen 135 und 200 mm wettmachen zu können.
Neben meinen Festbrennweiten würde ich also eher zu einem moderneren Varioobjektiv tendieren, zum Beispiel dem exzellenten Canon FD 80-200 f/4 L, einem der Nachfolger von Minolta oder einem Zeitgenossen von Nikon (Nikkor 80-200 mm f/4), Olympus (65-200 mm f/4), Canon (FD 80-200 f/4 (SSC)) oder Konica (Hexanon UC 80-200 mm f/4), um nur Objektive zu nennen, die ich schon ausgiebig verwendet habe.