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Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6

Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6

heute stelle ich Euch nach langer, durch den im Elsass grassierenden Coronavirus und den damit verbundenen Lockdown verursachter, fotografischer Abstinenz wieder ein “neues” Objektiv vor, das Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6. Zu diesem sind die im Internet vorhandenen Informationen leider nur sehr spärlich gesät und ausgerechnet die Webseite des berühmt-berüchtigten Ken Rockwell scheint davon den Löwenanteil zur Verfügung zu stellen.

Doch zurück zum Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6. Dieses ist ein Vertreter der ersten Generation von “Advanced Technology”- Objektiven, die dann später durch die AT-X Pro – Linie abgelöst wurde. Anscheinend kam das Objektiv in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auf den Markt und wurde dann bei Beginn des neuen Jahrtausends aus dem Programm genommen. Ebenfalls in den 80ern wurden auch andere extreme Telezoom-Objektive mit gleichem oder ähnlichem Brennweitenbereich auf den Markt gebracht : Minolta MD und MD APO 100-500 mm f/8, Canon FD 150-600 mm f/5,6 L, Sigma APO 100-500 mm f/5,6-8, Tamron SP 200-500 mm f/5,6, Zoom Nikkor 180-600 mm f/8 ED und Vivitar/Soligor 120-600 mm f/5,6-8. Alle diese Objektive buhlten um die Gunst der Sport-, Tier – und Pressefotografen und manche waren damals schon mit Sondergläsern ausgestattet, um das bei langen Brennweiten besonders störende sekundäre Spektrum zu korrigieren. So auch das Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6, das mindestens ein Element aus SD-Glas (super-low dispersion) besitzt.

Wie die meisten Tokina-Objektive aus der Vergangenheit ist das AT-X SD 150-500 mm f/5,6 hervorragend verarbeitet : alle Teile sind aus Metall gefertigt, der Entfernungseinstellring hat genau den für eine präsise Einstellung notwendigen Widerstand und der “Zoom creep’, das heisst das Abrutschen des kombinierten Einstellrings für Schärfe und Brennweite in Vertikalstellung, hält sich in akzeptablen Grenzen. Ausserdem gibt es noch eine Arretierschraube, um nachträgliche Veränderungen der beiden Parameter zu verhindern. Der Entfernungseinstellring geht über Unendlich hinaus, wohl um Temperaturschwankungen auszugleichen. Mit meinem billigen Chinaadapter (Olympus OM – Sony FE) ist die Unendlicheinstellung allerdings sehr präzise und das bei allen Brennweiten – das Objektiv ist also perfekt parfokal.

Der Blendenring rastet deutlich hörbar ein, zwischen f/5, 6 und f/8 sowie f/22 und f/32 in ganzen Stufen und sonst in halben Stufen. Das ist allerdings alles Andere als ideal, denn bei einem solchen Objektiv verstellt man die Blende meist nach Gefühl und Gehör. Der um 360° rotierende Stativring ist fest eingebaut und lässt sich mittels einer Feststellschraube arretieren. Alle 90° gibt es eine kleine Markierung auf dem Tubus, was die Verstellung von Horizontal auf Vertikal und umgekehrt erleichtert. Eine Filterschublade nimmt Einschraubfilter mit einem Durchmesser von 35, 5 mm auf. Das Frontgewinde misst leider aufgrund der monumentalen Frontlinse stolze 95 mm und es dreht sich bei der Entfernungseinstellung mit (keine Geradeführung). Übrigens wächst die Länge des Objektivs bei steigender Brennweite nicht, während die Entfernungseinstellung den vorderen Tubus um 2,5 cm verlängert. Die eingebaute Streulichtblende ist leider etwas zu kurz (5 cm), um ihre Arbeit effizient zu verrichten.

Natürlich ist das Objektiv mit seinen Eckdaten (Länge 31 cm und Gewicht 2,2 kg) nicht sonderlich dazu geeignet, freihändig eingesetzt zu werden, auch wenn dies während kurzer Zeit durchaus möglich ist. Aber das AT-X SD 150-500 mm f/5,6 ist wohl besser auf einem stabilen Einbein oder Dreibein aufgehoben.

Steckbrief

  • Optischer Aufbau : 15 Linsen in 13 Gruppen
  • Vergütung: mehrfach
  • Blendenskala : f/5,6 bis f/32 (ganze Stufen zwischen f/5,6 und f/8 sowie f/22 und f/32, sonst halbe Stufen )
  • Anzahl der Blendenlamellen : 7
  • Filterdurchmesser : 95 mm (Frontlinse), 35,5 mm (Filterschublade)
  • Kürzeste Entfernungseinstellung : 2,5 m
  • Masse : Länge 315 mm, Durchmesser 104 mm, Gewicht 2230 g
  • Ausstattung : eingebauter Stativring, Filterschublade mit Klarglasfilter, kombinierter Feststellring für Fokus und Brennweite, eingebaute Streulichtblende.

Abbildungsqualität

Eigentlich habe ich mir bezüglich der Abbildungsqualität dieses Objektivs keine grossen Illusionen gemacht. Das französische Magazin “Chasseur d’images” hatte Ende der 80er Jahre mehrere Poster mit gesammelten Objektivtests veröffentlicht und die meisten damaligen Super-Tele-Zoom-Objektive haben darin nicht sonderlich gut abschnitten. In Sachen Bildqualität führten die Objektive von Canon (FD 150-600 mm f/5,6) und Sigma (APO 100-500 mm f/5,6-8) ganz klar vor denen von Tokina (AT-X SD 150-500 mm f/5,6) und Tamron (SP 200-500 mm f/5,6) und dem Tokina bescheinigten die Tester mit der Brennweite nachlassende Schärfe (gut bei 150, befriedigend bei 300 und ausreichend bei 500 mm) und eine nur mittelmässige Korrektion der Farbfehler. Ich hatte das Objektiv allerdings für einen “Appel und ein Ei” erworben, als Teil einer Olympus OM-Ausrüstung, und konnte dadurch natürlich auch das Risiko eingehen, einen Flaschenboden zu bekommen.

Das Gegenlichtverhalten ist so schlecht nun auch wieder nicht.

Glücklicherweise ist das Objektiv allerdings wesentlich besser als gedacht. Die Vignettierung ist nur bei den längeren Brennweiten sichtbar und die Verzeichnung ist mir bis jetzt auch ncht unangenehm aufgefallen. Die Streulichtanfälligkeit ist auch lange nicht so schlimm wie der Foto-Guru Rockwell behauptet (dieser spricht von einer Einschichtenvergütung, was narürlich blanker Unsinn ist).

Allerdings macht sich die sphärische Abberation bei offener Blende und bei allen Brennweiten bemerkbar, vor allem bei kürzeren Entfernungseinstellungen. Was aber auch von Vorteil für das Bokeh ist, das im Hintergrund ausnehmend weich erscheint. Die leichte Weichheit bei Offenblende verschwindet schon bei f/8 und das AT-X SD 150-500 mm f/5,6 erreicht dann seine besten Leistungen bei f/11.

Bei Mindestentfernung (hier 2,5 Meter bei 500 mm und f/5,6) verstärkt sich die sphärische Abberation, ohne allerdings die Bilder unbrauchbar zu machen.

Schärfe bei Unendlich

Nachfolgend eine Testserie bei Unendlich, mit der Sony A7R nebst Stativ und 10 s Selbstauslöservorlauf bei 100 ISO fotografiert. Es wurde mit maximaler Lupenvergrösserung auf das Ziffernblatt der Kirchturmuhr scharfgestellt. Die Bilder wurden nur mit Standardeinstellung in Camera Raw geschärft, die chromatischen Abberationen bleiben unkorrigiert. Letztere sind aber sehr moderat und in Camera Raw noch gut beherrschbar. Nach der automatischen Korrektion verschwinden sie fast vollständig. Bedenkt bitte, dass es sich hier um fast ungeschärfte Ausschnitte in 200% – Vergrösserung handelt.

150 mm

Gesamte Szene bei 150 mm und Offenblende
f/5,6 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/8 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/11 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/16 Mitte (links) und Rand (rechts)

300 mm

Gesamte Szene bei 300 mm und Offenblende

f/5,6 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/8 Mitte (links) und Rand (rechts)

f/11 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/16 Mitte (links) und Rand (rechts)

500 mm

Gesamte Szene bei 500 mm und Offenblende
f/5,6 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/8 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/11 Mitte (links) und Rand (rechts)
f/16 Mitte (links) und Rand (rechts)

Beispielfotos

Weiter geht’s mit einigen anderen Beispielfotos bei kürzeren Entfernungen, die allesamt für chromatische Abberationen korrigiert und geschärft wurden. Kamera war wie bei den anderen Bildern auch eine Sony A7R.

300 mm f/8

300 mm f/5,6

300 mm f/8
1000 mm f/16 (500 mm f/8 + Tokina Doubler 2 x )

Fazit

Lohnt sich der Kauf des Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6 auch heute noch ? Wie auch bei den extremen Weitwinkelobjektiven hat sich auch bei den langen Teles im Laufe der Jahre eine ganze Menge getan. So sind die moderneren Objektive mit Autofokus samt und sonders mit mehreren Elementen aus hochbrechenden und niedrig dispergierenden Spezialgläsern ausgestattet, die das im Tokina verwendete SD-Glas in den Schatten stellen.

Letzeres schlägt sich aber in der Praxis in Sachen sekundäres Spektrum überraschend gut, denn die chromatischen Abberationen sind in erster Linie lateral und dadurch in Software wie Camera Raw und Capture One fast vollständig und vor allem automatisch sehr gut zu korrigieren. Longitudinale Abberationen (bokeh fringing) und purpurne Farbränder (purple fringing) bleiben glücklicherweise unauffällig. Verzeichnung und Vignettierung bleiben ebenfalls sehr diskret, letztere macht sich nur bei Offenblende und längster Brennweite bemerkbar.

Während die Konstrukteure die Farbfehler sehr gut in Griff bekommen haben, ohne dabei moderneren Objektiven Konkurrenz zu machen, wurden die sphärische Abberation und die Bildfeldwölbung nicht vollständig auskorrigiert. Die Bilder bei Offenblende werden also von einer gewissen Weichheit überlagert, die für manche Sujets aber durchaus vorteilhaft sein kann (Stichwort Bokeh).

Die Schärfe ist auch bei allen Blenden am Rand etwas geringer als in der Bildmitte, besonders bei kürzeren Entfernungen. Man sollte also bei Nahaufnahmen sein Motiv möglichst im erweiterten Zentrum positionnieren oder aber stärker abblenden, was bei heutigen Digitalkameras allerdings ohne weiteres möglich ist. Übrigens sind die Leistungen bei meinem Exemplar ganz eindeutig auf den Bereich zwischen 300 und 400 mm optimiert. Man kann aber bei allen Brennweiten auch die Offenblende verwenden, selbst wenn das Optimum der Schärfe erst bei f/11 erreicht wird.

Insgesamt finde ich die optische Qualität sehr gut, zumal ich bis jetzt das Objektiv nur auf der Sony A7R eingesetzt habe – mit einer Vollformatkamera mit “nur” 24 Megapixel dürfte sie noch erfreulicher ausfallen ! Der mit meinem Objektiv mitgelieferte, siebenlinsige Tokina RMC Doubler ist übrigens sehr gut auf das Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6 abgestimmt. Um eine Stufe abgeblendet, ist es mit dieser Kombination möglich, beeindruckende Mondfotos zu erstellen. Und auf einem soliden Stativ verträgt sich das Ensemble Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6 + Tokina RMC Doubler mit meiner “shutter shock” – geplagten Sony A7R so gut, dass sogar perfekt scharfe Aufnahmen möglich werden, was mit meinen diversen Spiegellinsern von Canon, Minolta und Tamron mangels Länge und Gewicht ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Mechanisch ist das Tokina ein Traum und die Bedienung ist auch sehr angenehm. Sehr praktisch finde ich die kombinierte Arretierung für Schärfe und Brennweite und den eingebauten Stativring. Die Möglichkeit, sein Motiv erst mit 150 mm zu “suchen” und dann mit längerer Brennweite zu komponieren, ist ebenfalls klasse. Die Kontrastwiedergabe ist dabei so hoch, dass die Scharfeinstellung mit der Sony A7R ohne Fokuspeaking aber mittels des “Flimmerns” im Sucher punktgenau vorgenommen werden kann.

Die “Parfokalität” des Objektivs ist ebenfalls sehr praktisch. Solange die Schärfeeinstellung bei längster Brennweite vorgenommen wurde, kann man den Ausschnitt verändern, ohne erneut auf die Entfernungseinstellung zugreifen zu müssen. Alles in allem finde ich das Tokina AT-X SD 150-500 mm f/5,6 wirklich gut, obwohl es wahrscheinlich mit meinem Canon EF 100-400 mm f/4,5-5,6 L IS USM nicht mithalten kann. Letzterem fehlen allerdings 100 mm am langen Ende….

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