Heute stelle ich euch ein Objektiv vor, das zu den jüngsten und modernsten im Canon FD-System zählt : das Canon Zoom Lens FD 28-85 mm f/4. Dieses wurde im November 1985 eingeführt, nur wenige Monate vor dem Start eines neuen Systems mit Autofokus und vollelektronischer Übertragung aller Objektivfunktionen.
Es handelt sich um ein Vario-Objektiv mit zwei getrennten Einstellringen für die Entfernungs-und Brennweiteneinstellung, das ähnliche Masse wie das vier Jahre ältere Canon Zoom Lens FD 35-105 mm f/3,5 aufweist (Länge 104,1 mm, Durchmesser 76,5 mm und Filtergewinde 72 mm). Das Gewicht allerdings ist wesentlich geringer (485 g), dank einer fast ausschliesslichen Konstruktion aus Glas und hochwertigen Kunstsstoffen.
Das Canon Zoom Lens FD 28-85 mm f/4 hat eine durchgängige Lightstärke von f/4, die Linsen sind in drei Hauptgruppen angeordnet, die sich bei der Verstellung der Brennweite und Entfernung unabhängig voneinander bewegen. Das Objektiv lässt sich bei allen Brennweiten bis 0,5 m scharfstellen. Dazu müssen keinerlei besondere Vorkehrungen getroffen werden, obwohl alle Distanzen zwischen 0,9 und 0,5 m nur noch mittels einer gelben “Macro”-Linie gekennzeichnet sind.
Allerdings ist das Canon Zoom Lens FD 28-85 mm f/4 nicht parfokal, das heisst die Entfernungseinstellung bleibt bei Änderung der Brennweite nicht konstant. Weiterhin gibt es, wie beim Zeitgenossen FD 80-200 mm f/4 L, keinen definierten Unendlichanschlag – die Scharfeinstellung bei Landschafts-und Astroaufnahmen muss also immer nach Sicht erfolgen.
Wie schon erwähnt, besteht das Äussere des Objektivs weitgehend aus Kunststoff, was aber kaum Einfluss auf die Bedienung hat : der Scharfeinstellring und der Zoomring drehen sich weich und gleichmässig und der Blendenring rastet deutlich und gut hörbar in halben Stufen ein (von f/4 bis f/22). Die vordere Fassung und das Filtergewinde sind auch aus Kunststoff, was allerdings auch beim vielgepriesenen Canon Zoom Lens FD 35-105 mm f/3,5 der Fall ist. Wie bei diesem gibt es auch ein Bajonett für die Original-Streulichtblende BW-72. In Sachen Verarbeitung fällt das FD 28-85 mm f/4 doch deutlich dem FD 35-105 mm f/3,5 gegenüber ab – letzteres besitzt eine sehr solide Bauweise mit einem Mix aus Metall und Kunststoff , die auch einem wesentlich teureren Objektiv zur Ehre gereichen würde, während die hinteren Fassungsteile des FD 28-85 mm f/4 aufgrund des verwendeten Materials bei Stürzen oder Stössen leicht Schaden nehmen können.
Das Objektiv spielt demnach mechanisch in der gleichen Liga wie das im gleichen Jahr erschienene, sehr leichte und kompakte, Canon Zoom Lens FD 35-105 mm f/3,5 – 4, 5 mit gleitender Lichtstärke. Dass es sich aber beim FD 28-85 mm f/4 um ein wesentlich anspruchsvolleres Design handelt, kann man anhand des im hinteren Teil des Objektivs integrierten Streulichtschutzes und der Anzahl (8) der Blendenlamellen erraten. Bei f/4 und Brennweiten unter 85 mm bleibt die Blende übrigens leicht geschlossen, was besonders bei 28 mm auffällt – ohne die brennweitenabhängige Verstellung der Blende würde es sich also um ein 28-85 mm f/2,8 – 4 handeln.
Übrigens verwende ich das Objektiv wahlweise mit zwei verschiedenen Adaptern auf meiner Sony A7 : einem chinesischen K&F Concept mit typischem Lock-Open-Ring und einem polnischen C7 Adapter mit eingebautem Stativanschluss. Letzterer hat wie der Adapter von Novoflex einen Mechanismus, der die Blende beim Ansetzen des Objektivs auf die Arbeitsblende schliesst – das finde ich ungleich konfortabler und sicherer.
Ursprünglich bin ich auf das FD 28-85 mm f/4 über einen Vergleichstest aufmerksam geworden, der in der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre im französischen Fotomagazin “Chasseur d’images” veröffentlicht wurde. Den Test hat das Objektiv gegen die Konkurrenz von Nikon, Minolta, Tokina, Tamron und Objektive von anderen Anbietern haushoch gewonnen und “Chasseur d’images” bescheinigte ihm sowohl sehr gute als auch gleichmässige Abbildungsleistungen über den ganzen Brennweitenbereich und das schon bei offener Blende. Die Suche nach “meinem” Idealstandardzoom” wurde aber zu einem mehrere Jahre währenden Hindernislauf. Das erste von mir gekaufte Exemplar des FD 28-85 mm f/4 war zwar in hervorragendem Zustand, stellte sich aber nach mehrmonatigem Gebrauch doch als defekt heraus : der Gummibelag der sechs für die Brennweitenverstellung verantwortlichen Messingrollen löste sich nach und nach auf und verwandelte sich in eine klebrige Pampe, die die Bedienung des Zoomrings immer schwieriger machte und diesen schliesslich völlig ausser Gefecht setzte. Kürzlich habe ich dann noch ein als defekt bezeichnetes Exemplar erstanden und zur Generalüberholung völlig zerlegt und wieder zusammengebaut. Es ist jetzt sowohl mechanisch als auch optisch ohne Beanstandung und kann damit für den vorliegenden Test dienen.
Die folgende Série habe ich kürzlich über den Dächern von Arles in der Provence gemacht. Die Aufnahmebedingungen waren alles andere als ideal (Gegenlicht, Taschenstativ), aber die Fotos zeigen zumindest das Potential des Objektivs, und das nicht nur bei “Blende 8, Sonne lacht”. Die Fotos wurden in Camera Raw mit Standardeinstellungen für die Schärfung und mit desaktivierter Korrektur von chromatischen Aberrationen konvertiert. Ich zeige hier das gesamte Bild und Ausschnitte aus der Bildmitte und einer Bildecke, mit f/4, f/5,6, f/8 und f/11. Bei kleineren Blenden wird die Beugungsunschärfe wirksam und zerstört den Schärfeneindruck wieder.
28 mm
35 mm
50 mm
85 mm
Bei allen Brennweiten ist die Schärfe im Zentrum schon bei Offenblende völlig brauchbar (gut), obwohl sie bei längeren Brennweiten von einer leichten Unschärfe überlagert wird (sphärische Aberration). Am Bildrand ist die Schärfe bei Brennweiten zwischen 35 und 85 mm schon bei Offenblende zufriedenstellend. Bei mittleren Blenden (f/8) wird die Bildqualität über die ganze Bildfläche sehr gut (Ecken) oder hervorragend (Mitte), jedoch bleiben die Ecken bei der kürzesten Brennweite auch bei Abblendung weich. Insgesamt ist das ein beeindruckendes Ergebnis für ein so altes Objektiv, zumal es auch nicht zur Luxury-Serie mit Sondergläsern gehört. Mit den L-Zooms 20-35 mm f/3,5 und 80-200 mm f/4 müsste es aber ein perfektes Trio bilden können (bis jetzt habe ich nur das 80-200 L).
Während viele artverwandte Objektive eine Makroeinstellung aufweisen, die sich meist nur bei der kürzesten Brennweite bedienen lässt, ist es möglich, mit dem FD 28-85 mm f/4 bis auf 50 cm an das Objekt (ab Sensorebene) heranzukommen, und das bei allen Brennweiten. Bei 85 mm ergeben sich dadurch interessante Perspektiven und vor allem wird das Objektiv ungleich universeller anwendbar als andere.
Dabei bleibt die Abbildungsqualität auch im Nahbereich erstaunlich gut, auch wenn sie logischerweise nicht jene eines Makrobjektivs erreicht. Für dreidimensionale Motive (also keine Reproaufnahmen) bietet das Objektiv schon ab f/8 eine mich völlig zufriedenstellende Schärfe.
Anbei noch eine kleine Blendenreihe, um das Bokeh beurteilen zu können.
85 mm, f/4 und 50 cm
Bei Landschaftsaufnahmen mit grossem Himmelanteil kann die Vignettierung bei Offenblende und f/5.6 störend sein. Ab f/8 kann man dann meistens von einer Softwarekorrektur absehen.
Laterale chromatische Aberrationen sind zwar vorhanden, lassen sich aber mit den meisten Raw-Konvertern restlos beseitigen. Longitudinale chromatische Aberrationen und Purple Fringing habe ich noch keine bemerken können
Das FD 28-85 mm f/4 verzeichnet sichtbar tonnenförmig bei der kürzesten Brennweite. Zwischen 35 und 85 mm wird die Verzeichnung sehr diskret und macht softwaregestützte Korrekturen eigentlich überflüssig. Allerdings setze ich bei Architekturaufnahmen lieber Canon TS-E Objektive ein.
In Sachen Gegenlichtverhalten macht das Objektiv eine ziemlich gute Figur, wenngleich es auch meinem Fujinon 35-70 mm f/2,8-3,7 mit EBC-Vergütung nicht das Wasser reichen kann.
Unter den von mir ausprobierten Standardzoomobjektiven kommt das FD 28-85 mm f/4 meinem Ideal am nächsten : es besitzt einen grösseren und nützlicheren Brennweitenbereich als meine 35-70 mm Objektive von Canon (FD 35-70 mm f/2,8-3,5), Fuji (Fujinon EBC 35-70 mm f/2,8-3,7) und Minolta (MD 35-70 f/3,5 Macro) und hat auch zwischen 35 und 70 mm eine Bildqualität, die der der ersten beiden Kontrahenten (Canon, Fuji) nicht nachsteht und sogar zumindest bei 35 mm dem Minolta überlegen ist. Weiterhin ist es optisch spürbar besser als das Tamron SP 28-80 mm f/3,5-4,2 und das Tokina AT-X 28-85 mm f/3,5-4,5 (Randschärfe und Verhalten bei Gegenlicht) und bietet auch eine wirklich praktische Naheinstellgrenze.
Leider schwächelt es in mechanischer Hinsicht und es ist nicht einfach (und wahrscheinlich sogar aussichtslos…), ein einwandreies Exemplar zu ergattern. Alle von mir bis jetzt inspizierten Exemplare litten unter den gleichen Kranheitssymptomen : der Brennweiteneinstellring gibt schleifende und/oder kratzende Töne von sich und rutscht bei längster Brennweite und Vertikalstellung in Richtung der kürzeren Brennweiten durch. Mit unangenehmen Folgen für die Zentrierung der Linsen. Was anfangs nur wie ein kleines « Wehwehchen » klingt, wird nach regelmässiger Benutzung des Objektivs unausweichlich zu einem grossen Problem : die sich auflösenden Gleitlagerröllchen blockieren letztendlich den Zoomring. ei einem Kauf sollte man sich also schon mal auf mögliche Reparaturkosten einstellen und diese im Kaufpreis berücksichtigen. Oder wie ich ein defektes Objektiv günstig kaufen, um es selbst instandzusetzen…