Neben den weitaus geläufigeren Spiegellinsenobjektiven mit 500 mm Brennweite gab es auch eine ganze Anzahl von Objektiven mit kürzeren Brennweiten um 300 mm, die oft eine von Standardobjektiven nur wenig abweichende Bauform und ein auch in Reportagesituationen sehr leicht “stemmbares” Gewicht mitbrachten. Zwei von ihnen sind trotz ihrer Seltenheit unter Altglasliebhabern sehr beliebt und demnach auch mit hohen Preisen “gesegnet”.
Während das Minolta RF (Rokkor) 250 mm f/5,6 mit einem Durchmesser von 66,5 mm, einer Länge von 58 mm und einem Gewicht von 250 g fast schon ein Hosentaschenformat erreicht, ist das Tamron SP 350 mm f/5,6 mit einer Länge von 79 mm und einem Gewicht von 577 g schon deutlich sperriger, wobei sein auf höchstmögliche Lichtausbeute gezüchteter Durchmesser von 86 mm den Transport in einer kleinen Fototasche nicht begünstigt.
Das Panagor Reflex 300 mm f/5,6 kommt mit seinen Massen von 73 x 60 mm und seinem Gewicht von 290 g dem “Ideal” Minolta schon wesentlich näher. Spiegellinser mit ähnlichen Daten wurden Anfang der Achtziger Jahre übrigens auch unter den Namen Makina, Tora, Tokura, Hanimex, Soligor, Ohnar, Osawa, Spiratone, CPC Phase, Tou Five Star, Toyo und Quantaray vertrieben, wobei Hersteller und optisches Design sich dabei nicht unbedingt mit denen des Panagor deckten.
Wie viele Objektive der Handelsmarke Panagor ist das PMC Reflex 300 mm f/5,6 sehr solide aus Metall gefertigt. Der Entfernungseinstellring läuft weich und gleichmässig, sein Einstellweg von ungefähr 180° gewährt sowohl eine schnelle als auch sehr präzise Anpassung.
Er geht dabei leicht über Unendlich hinaus, um eine Scharfeinstellung auch bei stark abweichenden Temperaturen zu ermöglichen. Dank eines auswechselbaren T2-Adapters kann das Objektiv an zahlreiche Kameras adaptiert werden. Die eingebaute und ausziehbare Streulichtblende hat eher Symbolcharakter, denn sie ist viel zu kurz, um ihre Aufgabe zufriedenstellend erfüllen zu können.
Das Klarglasfilter mit 35 mm Durchmesser muss mit einem Spezialschlüssel ausgewechselt werden, im Gegensatz zu den Spiegellinsern von Minolta wurde besagtes Werkzeug aber beim Panagor nicht mitgeliefert. Der Fronttubus bietet ein zusätzliches Filtergewinde mit 67 mm Durchmesser, sehr praktisch für die Anbringung einer effizienteren Streulichtblende oder eines Filters.
Bis auf wenige Ausnahmen haben Spiegellinsenobjektive einen unschätzbaren Vorteil für den Objektivtester : die Festblende macht eine Blendenreihe überflüssig und der Test kann sich dadurch auf wenige Aufnahmen beschränken. Andererseits scheitern viele Fotografen an der vermeintlich leichten Bedienung eines solchen Obkjektivs : die immer offene “Blende” und die spezielle Abbildungscharakeristik verringern die Schärfentiefe dramatisch und machen damit eine sehr präzise Scharfeinstellung notwendig, das geringe Gewicht und die kurze Bauform täuschen über die lange Brennweite hinweg.
Wie immer bei mir befand sich die Kamera (hier eine Sony A7 II) auf einem soliden Stativ und wurde über Selbstauslöser mit elektronischem ersten Vorhang und 2 Sekunden Vorlauf ausgelöst. Die Tonwerte und Farben der Raw-Dateien wurden in Camera Raw bearbeitet, die chromatische Aberration blieb unkorrigiert und die Schärfung wurde auf Standardwerten gelassen.
Die 200% Ausschnitte aus der Bildmitte, dem erweiterten Zentrum und der linken unteren Bildecke zeigen eine sehr gleichmässige Schärfe, mit sehr guter Auflösung und einem, für ein Spiegelobjektiv, guten Kontrast. Die Ergebnisse werden mit einer optimalen Kantenschärfung noch viel besser und können dann sogar anspruchsvolle Nutzer zufriedenstellen. Chromatische Aberrationen entlang kontrastreicher Konturen bleiben aus, während kleine Reste von sphärischer Aberration (leichte Weichheit der Konturen) bei starker Vergrösserung sichtbar werden, im Gegensatz zur Verzeichnung gerader Linien. Der bei Spiegellinsenobjektiven übliche “Hotspot” ist allerdings auch hier je nach Motiv mehr oder weniger störend, kann aber mit einem massgeschneiderten Objektivprofil leicht beseitigt werden.
Im mittleren Entfernungsbereich oberhalb von 5 Metern bleiben Auflösungsvermögen und Kontrast übrigens unvermindert hoch.
Bei meinen bisherigen Motiven ist mir eine Verzeichnung nicht aufgefallen. Der durch die Vignettierung in den Bildecken bedingte Hotspot in der Bildmitte ist allerdings ausgeprägt. Die nominale Lichtstärke von f/5,6 (F) wird leider nicht erreicht, der reelle Wert (T) liegt bei ungefähr f/7,1 und entspricht damit einem Lichtverlust von einer Zweidrittel Blende. Das wesentlich “fettere” Tamron SP 350 mm f/5,6 punktet hier übrigens mit einer um eine Drittel Blende höheren Lichtausbeute (T = f/6,3). Die Streulichtanfälligkeit des Panagor PMC Reflex 300 mm f/5,6 ist dabei durch die Mehrschichtvergütung zwar nicht perfekt, aber für ein aus Spiegel und Linsen aufgebautes Objektiv doch ziemlich gut.
Mit einer “vernünftigen” Streulichtblende gibt es nur wenige Parasiten, allerdings lassen sich letztere bei direktem Gegenlicht und bei starken Lichtquellen im Bildfeld nicht völlig vermeiden.
Auch wenn das Panagor PMC Reflex 300 mm f/5,6 bis auf 2,4 Meter eingestellt werden kann, brechen die sehr guten Abbildungseigenschaften dabei deutlich ein. Wahrscheinlich liegt das an der bei Spiegellinsenobjektiven üblichen linearen Verstellung des Sekundärspiegels, die sich aber hier mit drastischen Auflösungs-und Kontrastverlusten äussert, während dieses Phänomen zwar bei anderen Spiegellinsern auch zutage tritt, Nahaufnahmen dann aber nicht zu einem ungeniessbaren “Brei” werden lässt. Abhilfe schaffen hier Zwischenringe oder ein Adapter mit integriertem Schneckengang. Man sollte den Entfernungseinstellring dann bei Unendlich belassen und die Scharfeinstellung Über den Schneckengang des Adapters vornehmen. In Ermangelung eines speziellen Adapters verwende ich im Moment einen Kenko Macro Teleplus MC 7 Telekonverter ohne Linsenpaket, dessen Schneckengang aber leider durch Innenreflektionen einen mehr oder weniger deutlichen Kontrastverlust provoziert. Immerhin bleibt dabei das Auflösungsvermögen des Objektivs auch im Nahbereich weitgehend erhalten.
Übrigens bewirkt die linearen Verstellung der vorderen Gruppe wie bei einer Innenfokussierung eine Verringerung des Abbildungsmasstabes und damit der effektiven Brennweite. Die folgenden Beispiele machen sowohl die Verringerung der Brennweite als auch den Verlust der Bildqualität deutlich (erstes Foto bei Einstellung auf 2,4 m), im Vergleich zur Verwendung eines variablen Zwischenrings (siehe oben) bei Einstellung auf Unendlich und gleicher Entfernung zum Motiv.
Obwohl sich bei mir mittlerweile eine ganze Reihe von Spiegellinsenobjektiven mit Brennweiten von 300 bis 1000 mm angesammelt haben, setze ich diese eher in Ergänzung meiner “klassischen” Teleobjektive ein, anstatt sie zu ersetzen.
ist das Panagor PMC Reflex 300 mm f/5,6 in den letzten Wochen neben meinem hervorragenden Minolta MC APO Rokkor 400 mm f/5,6 ständig im Fotorucksack anzutreffen und ergänzt dieses mit seinem durchaus nicht neutralen Rendering, das aber nicht ganz so ausgeprägt ist, wie jenes der Artgenossen mit 500 mm-Brennweite.
Durch die geringere Objektvergrösserung sind die in Unschärfekringel umgewandelten Spitzlichter nicht ganz so prominent und die etwas grössere Schärfentiefe macht die Entfernungseinstellung etwas unproblematischer, wobei das für Spiegellinser sehr gute Kontrastverhalten dabei ebenfalls eine Rolle spielt. Überhaupt finde ich die Abbildungsleistungen des Objektivs rundum zufriedenstellend : es zeigt über das gesamte Bildfeld sehr gutes Auflösungsvermögen und guter Kontrast, keine chromatische und nur wenige sphärische Aberrationen und eine sehr gute Korrektion der Verzeichnung. Andererseits verdient die bei Spiegellinsern übliche Vignettierung bei manchen Motiven eine Softwarekorrektur, die Nahgrenze kann ohne Hilfsmittel nicht vernünftig genutzt werden.
Auch sollte man dem Objektiv eine richtige Streulichtblende spendieren. Alles in Allem ist das Panagor PMC Reflex 300 mm f/5,6 aber eine sehr nützliche ERweiterung meines Objektivparks und ich werde es auch weiterhin mit mir herumschleppen.