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Minolta MD (III) 24 mm f/2,8

Minolta MD (III) 24 mm f/2,8

In den Siebziger und Achtziger Jahren des letzten Jahrhundert emanzipierten sich die Objektive mit einer Brennweite um 24 mm nach und nach von ihrer Aussenseiterrolle und waren in der Folge häufiger in den Fototaschen von Berufsfotografen und Fotoamateuren anzutreffen. Die Demokratisierung der 24 mm Brennweite veränderte die damaligen Sehgewohnheiten und machte selbst die noch “extremeren” Super-Weitwinkelobjektive salonfähig, auch wenn letztere ohne die heute weit verbreiteten und damals sowohl seltenen als auch kostspieligen Asphären und Sondergläser nur noch bedingt digitaltauglich sind.

Mit dem im Jahre 1973 erschienenen MC/MD Rokkor 24 mm f/2,8 bot Minolta ein für damalige Verhältnisse sehr fortschrittliches Objektiv an. Dank seiner komplizierten optischen Konsstruktion inklusive “Floating Elements” war das Objektiv sowohl für Motive im Unendlich-Bereich als auch solche im Nahbereich so gut korrigiert, dass es während acht Jahren in verschiedenen Modellen und Versionen gefertigt wurde. Minolta lieferte sogar Linsensätze an den deutschen Hersteller Leitz, dessen Leica Elmarit-R 24 mm f/2,8 bis 2006 im Programm blieb.

Das MD (III) 24 mm f/2,8 ist das letzte manuelle Objektiv dieser Brennweite, die optische Konstruktion wurde aber für das AF 24 mm f/2,8 übernommen.

Die meisten Kamera-und Objektivherstellern hatten Anfang der Achtziger Jahre keine andere Wahl, als dem von Olympus initierten Trend “Small is beautiful” zu folgen. So musste sich auch das 24 mm von Minolta einer Schrumpfkur unterziehen. Kürzer (39 statt 49 mm), schlanker (49 statt 55 mm Filter) und leichter (200 statt 215 g) als sein direkter Vorgänger MD W.Rokkor, kommt das “Plain MD” 24 mm f/2,8 auch mit einer einfacheren optischen Konstruktion (8 Linsen in 8 Gruppen statt 9 Linsen in 7 Gruppen) aus.

Das Objektiv kommt mit dem kleinen Filterdurchmesser 49 mm aus.

Nichtsdestotrotz hat es kaum an Verarbeitungsqualität eingebüsst : bis auf den Blendenring und die Verriegelung für die Programm-und Blendenautomatik ist das Objektiv nach wie vor aus hochwertigem Metall gebaut und die Einstellringe laufen weich und spielfrei, auch wenn bei der Entfernungseinstellung durch den eingebauten Floating-Mechanismus ein etwas höherer Drehwiderstand nötig wird.

Das Filtergewinde dreht sich bei der Entfernungseinstellung nicht mit.

Beim Korrektionsausgleich wird übrigens die Frontlinsengruppe auf nicht lineare Weise verschoben, was zu einer gewissen Stossemfindlichkeit (mit möglicherweise katastrophalen Folgen für die Bildschärfe) führt.


Steckbrief

Minolta MD 24 mm f/2,8

  • Optischer Aufbau : 8 Linsen in 8 Gruppen (Floating elements)
  • Bildwinkel : 84°
  • Vergütung : mehrfach (Achromatic Coating)
  • Filterdurchmesser : 49 mm
  • Kürzeste Entfernungseinstellung : 0,25 m
  • Länge und Durchmesser : 39 x 64 mm
  • Gewicht : 200 g
  • Streulichtblende : aufsteckbar

Auflösungsvermögen und Kontrast nahe Unendlich

Ein sich unter Fotofreunden hartnäckig haltender Irrglaube geht davon aus, dass Objektive mit einer aufwendigeren optischen Konstruktion durchweg eine bessere Bildqualität abliefern als andere mit weniger verbauten Linsen.

Dazu trugen auch japanische Hersteller wie Minolta und Nikon bei, die bis in die Siebziger Jahre die Anzahl der Linsen und/oder Gruppen ihrer Objektivs in deren Namen anführten und damit suggerierten, dass die Bildqualität unmittelbar von der Anzahl der Glaselemente abhängig wäre. So wird auch beim MD (III) 24 mm f/2,8 oft angenommen, dass es seinem komplizierter aufgebauten Vorgänger (9 Linsen in 7 Gruppen statt 8 Linsen in 8 Gruppen…) optisch unterlegen sei und das, obwohl unter den selbst ernannten “Experten” wohl nur wenige beide Varianten in der Hand beziehungsweise auf der Kamera hatten.

Morgendämmerung in Portbail, Normandie.

Eines ist jedenfalls sicher : die freistehenden Linsen der neuen Version lassen dem Objektivdesigner mehr Freiheiten bei der Korrektur der diversen optischen Aberrationen als die zwei verkitteten Linsenpaare der älteren Version. Man kann also getrost davon ausgehen, dass das “Plain MD” dem MC/MD Rokkor zumindest ebenbürtig ist.

Folgende Testaufnahmen sind mit einer auf einem soliden Dreibein befestigten Sony A7 II entstanden. Letzte wurde über den Selbstauslöser mit elektronischem ersten Vorhang und 2 Sekunden Vorlauf ausgelöst. Die Tonwerte und Farben der Raw-Dateien wurden in Camera Raw bearbeitet, die chromatische Aberration blieb aber unkorrigiert und die Schärfung wurde auf Standardwerten belassen. Um eine bessere Lesbarkeit zu gewähren, zeige ich hier Ausschnitte mit 200% Vergrösserung.

Übersicht bei Offenblende.
Offenblende. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).
F/4. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).
F/5,6. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).
F/8. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).
F/11. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).
F/16. 200% Ausschnitte vom oberen Bildrand (links), der Bildmitte (Mitte) und der linkeren unteren Ecke (rechts).

Weit offen bietet das Minolta MD (III) 24 mm f/2,8 schon eine gute Schärfe, die sich über 90% der Bildfläche erstreckt. Nur die äussersten Randbereiche und Bildecken zeigen eine ziemlich ausgeprägte Weichheit, die auf optische Restfehler, vor allem sphärische Aberrationen und Koma zurückgeht.

Bei f/4 ist ein leichter Kontrastanstieg zu beobachten, der vor allem am Rand zu einem besseren Schärfeeindruck beiträgt. Um zwei Stufen abgeblendet (f/5,6) zeigen die Randbereiche des Bildes eine “knackige” Schärfe, die der des erweiterten Zentrums kaum nachsteht, bei f/8 gibt es eine weitere Kontraststeigerung in der Peripherie, während die Bildqualität im Zentrum weitgehend konstant bleibt. Eine Abblendung auf f/11 bringt keine weiteren Qualitätsgewinne am Rand und in den Ecken, während erste Beugungseffekte den Kontrast in der Bildmitte leicht beeinträchtigen.

Das Objektiv kann ohne Weiteres bei Offenblende für nicht “randkritische “ Motive” genutzt werden, sollte aber für anspruchsvolle Architektur-oder Landschaftsaufnahmen mindestens auf f/5,6 abgeblendet werden. Die besten Leistungen im gesamten Bildfeld werden bei f/8 erreicht.

Die Blendenwerte f/16 und f/22 (hier nicht gezeigt) sollten bei grösseren Ansprüchen an die Bildqualität vermieden werden, denn sie führen zu einer kontinuierlichen Aufweichung der Kontrastkanten und damit zu einer deutlichen Minderung des Schärfeneindrucks. Für maximale Schärfentiefe bei Landschaftsaufnahmen können sie aber immer noch genutzt werden, solange bei der Bildbearbeitung eine Anhebung der Schärfe und des Mikrokontrasts gewählt wird.

Bei 200% sind laterale chromatische Aberrationen in den Randbereichen zwar deutlich sichtbar, sie können aber ohne grosse Mühen bei der Bildbearbeitung und insbesondere bei der Rohdatenentwicklung beseitigt werden. Das Minolta MD (III) 24 mm f/2,8 zeigt auch eine deutliche Abschattung in den Randbereichen (Vignettierung), die erst bei Abblendung auf f/8 weitgehend verschwindet.

Verzeichnung

Während die Durchbiegung gerader Linien heutzutage automatisch vom Prozessor der Kamera (JPEG) oder dem Programm für die Rohdatenentwicklung (Raw) bewerkstelligt wird und damit dem Objektiventwickler etwas mehr Handlungsspielraum für die Korrektur der anderen Bildfehler gewährt, musste die Verzeichnung damals weitgehend auskorrigiert werden, um nicht im Dia oder Papierabzug weithin sichtbare “Wellen” zu schlagen.

Auch bei Landschaftsaufnahmen könnte sich die Verzeichnung unangenehm bemerkbar machen.

Bei einem Weitwinkeobjektiv ist die Korrektur dieses Objektivfehlers nätürlich etwas komplizierter als bei einem Standard – oder Teleobjektiv. Und so macht sich die Verzeichnung auch in Form von schnurrbartförmiger Durchbiegung von Geraden bemerkbar : in der Bildmitte (oder dem APS-C Format) als Tonne und am Bildrand (nur im Vollformat) als Kissen.

Bei Architekturaufnahmen ist sie allerdings unabdingbar.

Die Softwarekorrektur wird dadurch etwas kniffliger und mit dem von Adobe kostenfrei angeboteten Adobe Lens Profile Creator kann man lediglich der tonnenförmigen Verzeichnung im erweiterten Zentrum Herr werden, während die kissenförmige Durchbiegung der Bildränder leider bestehen bleibt.

Markthalle Bolhao in Porto – ohne Softwarekorrektur tritt der Schnurrbart störend in Erscheinung..
…während das hausgemachte Korrekturprofil für Adobe Lightroom und Camera Raw zumindest den “Bauch” im erweiterten Zentrum entfernt.

Gegenlicht-und Streulichtverhalten

Als Liebhaber ungewöhlicher Lichtstimmungen verlange ich von den Stammgästen in meinem Fotorucksack, dass sie nicht nur eine hohe, bei mittleren Blenden möglichst gleichmässige Detailwiedergabe mitbringen, sondern auch bei Gegenlichtsituationen und Nachtaufnahmen so wenige Parasiten und Blendenflecken wie möglich generieren.

Strassenbahn auf der Brücke nach Gaia, Porto.

So musste ich im Laufe der Zeit einige ansonsten durchaus leistungsfähige Objektive aus dem inneren Kreis verbannen. Wenngleich das Minolta MD 24 mm f/2,8 in Sachen Gegenlicht-und Streulichtanfälligkeit nicht ganz mit meinen beiden 24ern von Canon (SSC und nFD) mithalten kann, zeigt sich das Objektiv auch hier mehr als brauchbar.

Der Douro während der blauen Stunde, Porto.

Im folgenden Worst-Case-Szenario (Sonne im ungefilterten Mittagslicht) liefert das MD III zwar eine Reihe von kleinen Blendenflecken sowie ein halbkreisförmiges, wahrscheinlich durch einen unzureichend geschwärztes Fassungsteil provoziertes, Artefakt, aber das Ausmass der Parasiten hält sich in erträglichen Grenzen, zumal diese oft entweder zwischen den Einzelheiten des Motivs verschwinden oder nachträglich retuschiert werden können. Der Kontrastverlust ist jedenfalls gering. Freunde von (hier nur sechsarmigen) Blendensternen könnten übrigens bei Abblendung auf f/8 oder f/11 glücklich werden.

Ein (vorläufiges) Fazit

Verglichen mit seinen diversen Vorgänger-Versionen mit MC und MD-Mechanik taucht die letzte manuelle Version des Minolta 24 mm f/2,8 nur sehr selten auf dem Gebrauchtmarkt auf. Das sollte aber keine Ausrede dafür sein, nicht nach dem Objektiv Ausschau zu halten. Denn es verwöhnt seinen Nutzer mit soliden optischen Leistungen, die sich nicht hinter denen der Konkurrenten von Canon, Nikon, Olympus und Pentax verstecken müssen.

Sonnenaufgang im Morgennebel- Villa Nova de Gaia, Portugal.

Wobei die beiden letzten Objektive durch die fehlende Nahbereichskorrektur nicht so universell einzusetzen sind wie die Konkurrenten made by Canon, Nikon und Minolta. Den beiden Canon-Objektiven hat das Minolta seine vergleichweise “verschleissfreie” Konstruktion voraus – auch wenn es wie jene mit Gleitlagern ausgestattet ist, konnten diese sichtlich die Jahrzehnte überdauern. Empfindlich ist das Minolta nichtsdestotrotz, denn die “Floating Elements” im vorderen Teil des Objektivs sind nicht ganz so gut gegen einen frontalen Zusammenstoss gewappnet wie bei Canon (Objektivmitte) oder Nikon (Hinterlinsen). Man sollte also vor dem Kauf das Objektiv auf eine etwaige Dezentrierung untersuchen und es (vor allem) pfleglich behandeln.

Promenade, Portbail, Normandie.

Optisch ist das Minolta MD schon bei Offenblende erstaunlich gut. Während ältere Objektive wie das Canon FD 24 mm f/2,8 SSC oder das Pentax SMC 24 mm f/2,8 für optimale Randschärfe auf f/11 abgeblendet werden sollten, kann das Minolta MD 24 mm f/2,8 problemlos bei f/5,6 betrieben werden, solange die Schärfentiefe nur dafür ausreicht. Darin ist es meinen Nikkor AI-S und Canon nFD-Objektiven übrigens sehr ähnlich, wobei ich rein subjektiv die Anmutung der mit dem Minolta gemachten Aufnahmen etwas harmonischer finde – wahrscheinlich handelt sich dabei um das Zusammenwirken von Farbsättigung, Makro – und Mikrokontrast.

Atlantikküste bei Porto.

Die Vignettierung ist beim Minolta MD (III) 24 mm f/2,8 stärker ausgeprägt als bei den Konkurrenten von Canon und Nikon, denn sie verschwindet erst bei f/8, während sie bei den anderen beiden Objektiven schon bei f/5,6 zu vernachlässigen ist. In Sachen Verzeichnung sind die vier Kontrahenten durchaus vergleichbar, was die Gegenlichtempfindlichkeit anbetrifft, haben die beiden Canon-Objektive und das Nikon die Nase vorn.

Blick von der Brücke, Porto.

Häuserfront, Porto.

Ich muss gestehen, dass ich Objektive mit einem so grossen Bildwinkel nur sehr selten im Nahbereich einsetze. Bei Gelegenheit werde ich hier aber noch passende Beispielfotos nachreichen.

Nahbereich und Offenblende-Blick auf Arles, Provence.

Alles in allem ist das Minolta MD 24 mm f/2,8 ein Objektiv so ganz nach meinem Geschmack, wobei die Brennweite für mich eine perfekte Brücke zwischen den eher “extremen” Super-Weitwinkelobjektiven und den eher “zahmen” Weitwinkelobjektiven schlägt. Die gestalterische Umsetzung vieler Motive fällt mir mit einem 24 mm noch relativ leicht, während sie mir bei Objektiven mit noch weiterem Winkel manchmal etwas Kopfzerbrechen bereitet. Das Minolta MD 24 mm f/2,8 bleibt jedenfalls erstmal da, wo es ist (in meinem Fotorucksack) und solange ich noch kein besseres und angenehmer zu bedienendes 24er gefunden habe (sehr unwahrscheinlich…) wird es dort auch in Zukunft bleiben.

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